Raubritter und Halbgott

Ein Interview über SOLNESS mit Thomas Sarbacher

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Was hat dich an dem Charakter „Solness“ gereizt?

„Solness“ ist eine Mischung aus Raubritter, Halbgott und Künstler, mit dem damit verbundenen gesunden Egoismus, bis hin zur Egomanie, was bis zu seinem Absturz gut ausgeht.

Für mich hat er nie aufgehört, Künstler zu sein. Er ist nur an den Punkt gekommen, an dem er sich nur noch reproduziert und nicht mehr weiter geht und sich auch nicht mehr befragt. Dieser Frage weicht er aus, denn das wäre eine Bankrotterklärung. Als er in Lysanger diese Kirche gebaut hat, war das für ihn der Höhepunkt seiner Karriere. Von da an ging es abwärts und das Schlimme daran ist, dass ein Mensch oft nicht merkt, dass es eigentlich schon bergab geht.

Und genau so hat er auch seine Umgebung behandelt, das war im Grunde wie bei Hofe und am Schluss sind es „Des Kaisers neue Kleider“. Diese Mischung war der Reiz für mich. Das tolle ist ja, das was man im Laufe seines Lebens angerichtet und geschaffen hat, kommt wieder zurück. Und das ist auch das Schöne an dieser Figurenkonstellation. Die nicht wirklich schuldhafte, aber doch schuldbeladene Verstrickung, auch mit dem Verlust der Kinder, sind Fantasiegeburten, die dazu führen, dass da ein Schuldgefühl entsteht, das einfach durch die immense Wucht dieses Verlusts keine Erlösung erwarten darf. Das ist auch etwas, was ich an der Figur spannend fand. Dass von vornherein klar ist, dass es keine Erlösung gibt.

Monster und Mensch

Solness ist ein Antiheld, ein Unsympath. Das ist sehr schwierig zu erzählen. Wie ging es dir damit, den Antihelden anzunehmen?

Erst einmal fiel es mir überhaupt nicht schwer, weil ich genau das als Anreiz genommen habe. Es kann nicht sein, dass nur einer das Opfer ist. Bei Ibsen ist es ganz klar so, dass diese Figuren erst einmal an dem Punkt starten, an dem sie ihre ganze Umgebung schon in der Weise stranguliert haben, dass alles nur nach ihren Gesetzen funktioniert. Bei Solness ist es auch so. Solness kann nur an diesen Punkt gelangen, indem er sich so verhält, wie er sich verhält. Das ist seine Persönlichkeit. Darunter sind natürlich die genau gleichen Sehnsüchte, Hoffnungen, Leidenschaften verborgen , die uns alle umtreiben, auch wenn wir nicht solche Arschlöcher sind. Nur muss es dafür Situationen geben, in denen das zu sehen ist und dann kann man danach immer noch sagen: „Was für ein Arschloch“. Mir genügt es, wenn man an bestimmten Punkten nachvollziehen kann, warum das so ist. Das ist ja trotzdem kein Monster, das ist ein Mensch.

Die Antihelden sind natürlich die spannenderen Figuren, weil man erstmal nur das sieht, was sie tun. Bei Solness ist das so. Das ist eine Figur, die sich über das Tun definiert. Solness ist kein reflektierender Mensch, der sozusagen seine eigenen Befindlichkeiten ständig auf dem Tisch legt und damit umgeht. Sie werden weggewischt und das Tun ist das Entscheidende. In dem Augenblick, in dem das Tun nicht mehr von der Kraft des Erfinderischen getrieben ist, des Göttlichen, des Künstlerischen, in dem Augenblick fängt es an, so eine Leere zu verursachen. Aber auch etwas, das man immer behandeln kann, immer wegschieben kann.

Das fand ich spannend an dieser Geschichte, weil das meiste aus Vorgeschichte besteht. Das, was dann tatsächlich im Film passiert, ist nicht zu vergleichen mit der Vergangenheit. Man merkt plötzlich, wie lang das Leben ist, was im Leben so alles passieren kann. Das ist plötzlich alles da, auch das Schuldeingeständnis. Schuld ist für Solness ein Begriff, mit dem er eigentlich gar nichts anfangen kann, aber er spürt, dass es da ist. Wenn man dann an nichts glaubt, ist man natürlich völlig hilflos.

Erfährt Solness Erlösung?

Wirkliche Erlösung erfährt Solness nicht, nicht umsonst macht er einen gewaltsamen Abgang. Es gibt aber den Moment, in dem ihm das Mädchen vergibt, was die Frau nicht getan hat, was kein anderer getan hat. Das ist die große Einsamkeit des Patriarchen und ich glaube, zu sagen, es gibt keine Erlösung, ist eine trotzige Reaktion, das wurde nicht zu Ende gedacht. Die Tatsache, dass diese Villa abgebrannt ist und die Kinder dabei gestorben sind, waren für mich zentrale Punkte in Solness Leben. So etwas kannst du nicht heilen, deshalb war Solness von da an ein Verdammter dieser Erde, auch wenn er die Villa nicht angezündet hat. Er war dennoch sowieso nicht mit diesem Leben einverstanden, es war nicht seins und das alleine reicht schon, um zu merken, dass man die Schuld auf sich geladen hat.

Ich glaube, die Tatsache, dass er seinen Weg zu Ende geht, ohne Erlösung gefunden zu haben, heißt nicht, dass er nicht doch an irgendeinem Punkt erlöst wurde. Er hat die Geschichte für sich hingenommen, auch im Hinblick auf die Tatsache, dass das Leben so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Ich denke, Solness kann seine Schuld annehmen. Das führt zwar dazu, dass er nicht friedlich einschlafen kann und dem gewaltsam ein Ende machen muss, er verlangt es aber von sich selbst und das spricht für den Frieden, den er mit sich geschlossen hat.