INTERVIEW MIT ROBERT STADLOBER ÜBER SOLNESS UND DEN VERLUST VON MÄNNLICHKEIT
Was ist Jakob für eine Person?
Jakob ist ein exemplarisches Beispiel seiner Generation: Ein junger Mensch, mit relativ vielen Ambitionen und Fähigkeiten, aber auch relativ wenig Möglichkeiten, diese Fähigkeiten ausspielen zu können. Ich glaube, das geht vielen Leuten Anfang 30 so. Oft sogar um einiges besser gebildet und auch um einiges flexibler, als die Generation vorher. Nur die Generation vorher lässt sie nicht an die Töpfe. Das wurmt Jakob glaube ich, noch dazu ist er jemand, der nicht nur egozentrisch seine Karriere verfolgt, sondern der durchaus auch etwas komplexere Vorstellungen von seinem Beruf, der Architektur, hat. Es geht ihm wirklich darum, einen Lebensraum mitzugestalten. Ihm ist bewusst (das ist auch exemplarisch für seine Generation), dass er damit keine Brötchen verdienen wird und wahrscheinlich nie die Möglichkeit hat, das tatsächlich umsetzen zu können. Dann ist er auch noch exemplarisch für seine Generation, wie für viele Generationen seit der Zeitenwende 1945, mit einem schwierigen Verhältnis zum Vater aufzuwachsen. Der Vater möchte nicht wahr haben, dass sein Sohn mindestens derselbe Mann ist, wie er, wenn nicht sogar mehr. Das ist Jakob auf eine sehr unmännliche Art und dieser Männerfetisch interessiert ihn auch gar nicht, trotz alledem greift er den Vater unbewusst an und der reagiert männlich, mit Zurückweisung.
ÜBERWINDUNG DER HIERARCHIE
Die Überwindung des Vaters wird vom eigenen Vater auf Solness projiziert, der die größere Hürde ist, weil er der König ist. Wenn du sagst, das ist exemplarisch für die Generation, wie schafft man es trotzdem weiterzumachen?
In kapitalistischen Zwängen muss irgendetwas arbeiten, dementsprechend arbeitet man etwas und in einer Welt, die so eingerichtet ist, wie der unseren, muss man sich, wenn man mit dieser Arbeit etwas Butter aufs Brot verdienen möchte, bis zu einem gewissen Maße anpassen. Bis zu dem Punkt, an dem man, durch welche Umstände auch immer, das Schiff gekapert hat. Gerade in ansatzweise künstlerischen Berufen, dazu zähle ich auch Architektur, sieht man, dass die Älteren, vor allem Männer, dieses Schiff weder teilen, noch verlassen wollen. Oder sagen wir mal so, es wächst eine Generation nach, die eigentlich in der Lage wäre, andere Herrschaftsstrukturen zu leben. Auch in Bezug auf Arbeit, dort könnten sie beispielsweise andere, horizontalere Hierarchiestrukturen durchsetzen und würden ihr Ego zurückstellen. Sie werden aber von den Kapitänen, die immer noch gerne alleine auf der Brücke stehen wollen, behindert. Das sind die, die auch über den Töpfen sitzen. In kreativen Berufen, die nun mal darauf angewiesen sind, das es nicht einfach so ist: „Ich bau einen Topf und den Topf verkaufe ich und wenn ich den Topf schöner baue, dann kriege ich mehr Geld“, sondern es geht darum, den Topf überhaupt erst herstellen zu können, eine gewisse Summe an Geld heranzuschaffen. Das ist in der Architektur genauso: Ich brauche einen Auftrag, ich brauche einen Bauherren, der sagt, ich gebe dir diese Summe. In solchen Bereichen sitzen Schiedsrichter über den Möglichkeiten und das sind nun mal größtenteils monetäre Möglichkeiten, die keine Lust haben, dass andere Formen des Zusammenarbeitens ausprobiert werden. SOLNESS ist so eine Zwischengeneration, kurz nach 1968, die da mit diesem „pseudo-hierachiefreiem Zeug“ abschließen wollten und es auch wieder toll fanden, sich als Individualisten zu präsentieren und andere zu verdrängen. Dieses 80er Jahre „yuppiehafte“ steckt sehr in ihm drin. Das ist auch die Faszination für mich gewesen, in diesem Film mitzuspielen, weil diese Perspektive so selten erzählt wird. Diese Generation hat zumindest ästhetisch unglaublich viel zu sagen. Wenn wir uns die Feuilletons Deutschlands angucken, sieht man beispielsweise Kunstkuratoren, die alle eine Art SOLNESS sind. Die auf der einen Seite auf die Hipster schimpfen, sie klein halten, aber trotzdem versuchen, sie für ihre Weltherrschaftsvisionen zu benutzen. Und es klappt, wir machen alle mit.
Wenn man die Figur des Jakob weiterdenkt, was denkst du, ist der Preis, den er dafür zahlt, dass er Solness enthauptet hat?
Der einfachste und zwingendste Weg ist, dass er den Platz des Königs einnimmt. Er muss den gleichen Versuchungen nachgeben und ebenfalls das schnelle, leichte, süße Leben führen. Das wird er auch tun, indem er der Chef ist und seine ganzen Mitarbeiter unter sich hält. Es kann aber auch sein, dass er drei Wochen Auszeit nimmt und über eine Umstrukturierung nachdenkt. Wenn ich den Film SOLNESS weiterführen würde, dann würde es mich interessieren, wie es wäre, wenn dieses Architekturbüro zum Kollektiv wird. Wie würde sich die Geschichte erzählen, die in einer postkapitalistischen, hippen Blase wie Berlin spielt? Ich habe in den letzten Jahren relativ gute Erfahrungen mit hierarchiefreier Arbeit gemacht, zwar eher im Theaterbereich, aber sowas ist möglich. Das muss nicht heißen, jede Idee wird immer umgesetzt, aber ein Wettbewerb der Ideen sollte entstehen und vor allem der Ideen, nicht der Lautstärke. Leute wie Solness reden einem so etwas aus, weil sie keine Lust haben, dass sie nicht mehr schreien dürfen.
VERLUST DER MÄNNLICHKEIT
Das, was Solness da umtreibt, hat nur oberflächlich etwas mit seiner Krankheit zu tun. Er steigt gockelhaft diesem jungen Mädchen nach und das ist für mich Ausdruck von dem Verlust von Macht. Diese Macht ist auch eine eingebildete, die nur funktionieren kann, weil lauter Machos wie er diese Illusion aufrechterhalten. Was verliert man? Man lebt ja trotzdem noch, auch wenn man keine 30 mehr ist. Er legt dieses machohafte Verhalten an den Tag, dieses „ich habe die geilen Muskeln und zeige sie dir in meinem Unterhemd“. In seiner Generation beeindruckt er damit die anderen, in den Augen eines Jakob zum Beispiel, also der Generation danach, wirkt dieses Verhalten lächerlich. Die Gesellschaft ändert sich und deshalb kann sowas mittlerweile abgelegt werden, zwar nicht immer und überall, aber oft dreht sich die Welt weiter.
RESPEKTLOSIGKEIT DES ALTERS
Hast du in deiner Filmografie oder Theaterlaufbahn schon einmal Rollen bedient, in der die Hauptfigur die Vaterfigur überwinden muss? Oder welche gäbe es, die eine ähnliche Aufgabe wie JAKOB haben?
Ich denke, in Jakobs Fall ist es weniger die Überwindung der Vaterfigur, als mit sich selbst klar zu kommen. Ich würde versuchen, es nicht nur darauf herunterzubrechen. Jakobs wahre Vaterfigur lenkt die Überwindung auf Solness ab, das schwächt den Vater noch mal um einiges ab. Der Streit zwischen Jakob und Solness ist ein natürlicher Generationenstreit. Spannend ist doch eher die Frage, was macht man mit den Alten? Wie räumt man sie ab? Wie hilft man ihnen, sich selbst zu überwinden? Wo steckt man sie hin, ohne sie abzuschieben? Und vor allem, wie kann man sie einbinden? Das ist zu viel, um es in einem Spielfilm zu erzählen, aber darum geht es auch ein wenig in Solness. Die Figur Solness wird von sich selbst und seiner eigenen Sturheit überrollt. Er weiß nicht wohin und die anderen, wie Jakob, wissen nicht, was sie nach der gewonnenen Revolution mit ihm tun sollen. Das ist ein relativ neues Phänomen, „Respektlosigkeit des Alters“, die Jungen flach zu halten. Daraus entsteht ein seltsamer Konflikt zwischen beiden Generationen, der gar nicht sein müsste. Heutzutage herrschen geänderte Gesellschaftsstrukturen, man ist mit 80 Jahren noch fit, gerade in kreativen Bereichen. Keiner will mehr einsehen, das er „alt“ ist. Das fällt mir auch an mir auf, sicher, ich muss nicht mehr jede Platte oder jeden Club kennen, aber es fällt mir eben schwer, mich in eine erwachsenere Version zu verwandeln. Mit 50 Jahren oder 60 Jahren ist das Gefühl sicher noch stärker, denn das Ende ist viel näher. Das muss auf psychologischer Ebene krass sein. Ich finde es faszinierend, darüber nachzudenken, wie man die Älteren auf psychologischer Ebene auffangen könnte. Es ist wichtig, dass wir 30-Jährigen gerade jetzt darüber nachdenken, wie man sie einbindet. Im klassischen Theater werden die alten und weisen Könige einfach kaputt gemacht und abgeschafft, aber der kann am Ende mehr bescheid wissen, als ich. Damit muss man umgehen können und das ist die wahre Herausforderung. Gerade auch in der künstlerischen Szene.