EIN INTERVIEW MIT JULIA SCHACHT ÜBER SOLNESS UND HILDE
KIND OHNE KONSEQUENZEN
Wie würdest du Hilde beschreiben?
Hilde taucht plötzlich auf mystische Weise bei Solness in Berlin auf. Er versprach ihr vor 10 Jahren übermütig, als er gerade eine Kirche in Alta, Norwegen, gebaut hat, zurückzukommen, sie abzuholen und für sie ein Luftschloss zu bauen. Solness nannte sie Prinzessin. Da er aber nie kam, reist sie nach Berlin, um das, was er ihr damals versprochen hat, naiverweise einzuholen. Hilde ist ein Kind geblieben, sie ist eine Figur, die gerne Spiele treibt und dabei viel Freude hat, ohne an die Konsequenzen zu denken.
Wie nah warst du der Figur Hilde?
Ich mochte, dass die Figur frech und motzig ist. Daran hatte ich großen Spaß. Da ich als Person sehr schüchtern bin, war es eine schöne Herausforderung, so einen Charakter zu spielen. Hilde kennt gewissermaßen keine Grenzen. Ich bin auch sehr kindisch und lebe irgendwie wie Hilde in meiner eigenen Fantasiewelt und das konnte ich beim Spielen gut einsetzen. Was überhaupt nicht passte war, dass ich eine Mutter und 32 Jahre alt bin. Das musste ich in dieser Rolle ganz ablegen. Alle meine erwachsenen Seiten musste ich beiseite tun, mit kindlicher Naivität arbeiten und mit vielen wilden Emotionen, die für mich ein bisschen in die frühen 20er gehören. Hilde hat keinen richtigen Platz in ihrem Leben, das kann auch ich manchmal in meinem eigenen Leben fühlen. Ich bin keine Norwegerin, ich bin nicht Deutsche, bin auf dem Land und in der Stadt aufgewachsen und da frage ich mich natürlich, wo mein zu Hause ist. Diese Rastlosigkeit konnte ich auch in Hilde wiederfinden.
Hildes Motivation liegt zwischen Stalking und Vernichtung, das ist eine Herausforderung, aber auch eine schöne Spielfläche. Wie ging es dir damit?
Ja, in dieser Figur stecken viele paradoxe, impulsive und irrationelle Handlungen. Die fand ich spannend und ich konnte mich mit voller Energie hineinbegeben. Hilde kann mit ihren Gefühlen und ihrer Vergangenheit nicht so gut umgehen, das zeigt sich auf ganz unterschiedliche Arten. Wenn Hilde etwas will, macht sie das und kennt dabei keine Grenzen. Wenn sie in der Nähe von Solness sein will, dann tut sie das einfach. In ihr steckt ein großer Schmerz. Ich sehe diese Vernichtung als Hilferuf, als ein starkes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit.
Was hat dich an dem Zusammenspiel mit einer Figur wie Solness gereizt?
Ganz klar, die Bewunderung für diese Figur, dieser so große Architekt, der all die schönen Gebäude zeichnet, entwirft und baut, allein diese Kraft, die diese Figur ausstrahlt. Außerdem hat mich diese komplexe Beziehung zwischen meiner Figur Hilde und Solness selbst gereizt. Solness stellt eine Vaterfigur für Hilde dar. Es ist zwar keine sexuelle Liebe, aber am Ende doch mehr als eine Vater-Tochter-Beziehung.
AN SEINE GRENZEN STOßEN
Wie würdest du die Zusammenarbeit mit Thomas Sarbacher beschreiben?
Allgemein war es ein spannendes, aber auch natürliches Zusammenspiel. Thomas Sarbacher ist einer der Schauspieler, die ich selbst sehr bewundere. Er versteht sein Handwerk und brilliert dabei. Seine Erfahrung und Souveränität hat es mir sehr einfach gemacht, in meine Rolle zu schlüpfen.
Der Film SOLNESS ist meine erste Produktion in Deutschland, ich habe vorher mit niemandem aus dem Team oder den Darstellern zusammengearbeitet. Davor hatte ich am Anfang auch etwas Sorge. Es war eine Herausforderung, einen Film in deutscher Sprache zu drehen. Mein Vater kommt aus Hamburg und ich habe in Deutschland Familie. Es war schon immer ein großer Traum von mir, in Deutschland zu drehen, der nun in Erfüllung gegangen ist.
Gab es beim Dreh ein Erlebnis, dass dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Da fällt mir die Szene ein, in der ich Thomas Sarbachers schöne Haare abrasieren musste, mit diesem wirklich scharfen Messer. Das war wirklich ein sehr spezielles Erlebnis für mich. Vor manchen Szenen hatte ich auch etwas Angst, beispielsweise vor der Szene, in der ich mein T-Shirt vor den Architekten ausziehen musste, aber wenn man mitten im Spiel ist, vergisst man diese Sorgen und dann macht es auch Spaß, an seine Grenzen zu stoßen.