INTERVIEW MIT REGISSEUR MICHAEL KLETTE ÜBER DEN FILM SOLNESS
AM POLARKREIS
Michael, du meintest, du hättest wochenlang nur ein paar Stunden geschlafen. So etwas kann man nur bewältigen, wenn die ganze Filmcrew das mitträgt.
Alle haben bis zum Schluss durchgezogen. Und bei der Teampremiere glänzten natürlich schon ein paar Augen, weil wir unglaublich viel aus dem kleinen Budget herausgeholt haben. Kamera, Ausstattung,
Requisite und Maske vollbrachten Hochleistungen. Man muss sich vorstellen: Wir haben auch noch in Norwegen gedreht. In Alta, am Polarkreis, da haben wir Doubles von hinten aufgenommen, vor dieser wahnsinnig schönen Kirche. Die Szenen mit den Schauspielern hatten wir vorher in Berlin gegen den Himmel gedreht, alles tricky. Schlussendlich waren nur der Produzent, der Kameramann und ich da oben und im gleichen Hotelzimmer.
SOLNESS ist dein Debütfilm?
Ja. Meine Theateraufführungen sahen früher auch meist wie Kino aus. Ich habe mich Theatertexten meist filmisch genähert und umgesetzt. Und mit großen Apparaten zu arbeiten war mir nix Neues. Nur der Zeitdruck hat mir zu schaffen gemacht.
Von dem hervorragenden technischen Niveau mal abgesehen, wirkt es so, als würden die Schauspieler um ihr Leben spielen…
Überforderung. Das ist das Konzept des Films. Die Überforderung der Figuren. Aber allen Ernstes: Ich habe mich über ein Jahr lang auf die Suche nach dem Cast begeben. Es ist schwerer als man denkt, so eine
Figur wie Solness in Deutschland zu besetzen. Es waren viele, auch
große Namen im Gespräch. Aber da war auch noch die Kombination mit Hilde, die eigentlich norwegisch sprechen musste. Mit Julia Schacht hat uns in letzter Sekunde ein glücklicher Zufall in die Hände gespielt. Eine der erfolgreichsten norwegischen Jungschauspielerinnen die
gebrochen deutsch spricht. Das war perfekt. dazu ihre Präsenz.
Thomas Sarbacher hat die Rolle SOLNESS so gespielt, dass sie lebendig wurde.
Bei Thomas kommt vieles zusammen. Ein Schauspieler, der das Risiko des Scheiterns in Kauf nimmt, Hut ab. Dazu ist er,
was man früher einen „richtigen Kerl“ nannte. Aber eben einer, der seiner Figur wirklich tief in die Seele blicken lässt, aber nicht als Attitüde, um zu zeigen, was er technisch drauf hat.
DIE CINEMASCOPE WELT TRÜGT
Erzähl uns doch bitte etwas über den Schnitt.
Der Film erzählt ja eine zutiefst gespaltene Hauptfigur. Der Architekt Solness ist jemand, der in der Vergangenheit großartig war, in der Gegenwart mittelmäßig und dessen Zukunft ungewiss ist. Ein Kraftmensch, ein Libertin. Alles, was ihn jedoch ausmacht, funktioniert plötzlich nicht mehr. Er kommt mit der jungen Generation nicht klar, er verachtet sie als „Nerds“, beutet sie aus, aber schaufelt sich damit nur sein eigenes Grab. Anders sein engstes Umfeld, die familiäre Idylle, die er braucht, Solness´ sanfte Seite sozusagen. Was ist wirklich mit den Kindern, was mit seiner Frau, was mit den Freunden? Diese Zerrissenheit spiegelt sich in der Auflösung wider: So sind alle Szenen, die Solness´ auf der Baustelle oder in der Außenwelt zeigen, fast dokumentarisch gedreht. Die Außenwelt ist “heavy metal”. Der ganze Dreck, der Krach, alles
reichlich rough, extrem männlich, Kerle, die zupacken können.
Auf der anderen Seite sind sämtliche Innenaufnahmen von großer Wärme und Schönheit. Die Kamera von Ralf Noack spielt mit den Interieurs, entdeckt immer wieder unerwartetes, aber eben auch zunehmend mehr und mehr beängstigendes. Diese schöne, cinemascope Welt trügt, die Räume werden mehr und mehr zu Druckkammern. Solness ist bald ihr einziger Bewohner. Er, und dieses „verrückte norwegische Mädchen“. Horror vacui.
Das Verbindende zwischen Innen – und Außenwelt ist die Tonspur. Da bin ich erst im Schnitt drauf gekommen. Die Tonspur widerspiegelt komplett Solness´ Wahrnehmung, seine Überforderung. Der Mann schläft ja quasi nie. Dabei ist er so müde, lebensmüde. Aber da ist noch zu viel unerfüllte Sehnsucht in ihm. Träume. Mit Ende 50 werden die Optionen sein Leben zu leben langsam knapp.